Wir stehen Ihnen gerne bei Fragen oder Wünschen persönlich zur Verfügung.
Es ist 18:20 Uhr… auf meinem Telefon läutet ein schriller Alarmton. Ich eile zum Handy und höre mir die Nachricht von Barbara (Einsatzzentrale VMN) an. Ich muss kurz überlegen, ob es sich die nächsten Stunden für mich ausgehen würde, den Einsatz zu übernehmen… drücke bestätigen und wechsle auf dem Handy zu unserer Einsatzgruppe.
Auch 2-3 andere Fotografen haben sich für diesen Einsatz bereit erklärt. Barbara entscheidet letztendlich wer gehen soll. Wir versuchen die Einsätze, wenn es möglich ist, immer fair aufzuteilen.
Es dauert keine 5 min und mein Telefon klingelt erneut. Barbara ist am Telefon und sagt mir zu, das ich übernehmen kann. Sie gibt mit die wichtigsten Details durch. Je nachdem ob das Sternenbaby schon auf der Welt oder noch in Einleitung ist, muss ich mich erst noch mit dem Kreissaal im Spital kurzschließen.
Dann check ich meine Kamera, ob die Speicherkarte leer und der Akku voll genug ist. Anschließend zieh ich mir unser VergissMichNicht-Shirt an, damit wir im Spital gleich erkannt werden und schon sitz ich im Auto auf den Weg zum Krankenhaus.
Auf der Fahrt sind meine Gedanken schon bei den Eltern… wie geht es ihnen wohl gerade, was war der Grund dafür?
Im Spital angekommen, gehe ich ruhig aber dennoch mit ein wenig Nervosität in den Kreissaal. Auch wenn ich nach 2 Jahren schon eine gewisse Routine gewonnen habe, weiß man doch nie was einen erwartet.
Es gibt Situationen, in denen ich nur das Sternenbaby alleine oder mit den Eltern sehe und fotografiere, es gibt aber auch Situationen, bei denen die komplette Familie anwesend ist, samt Oma, Opa und Geschwistern, um sich von ihrem kleinen Schatz zu verabschieden.
Diese Momente können auch sehr emotional für uns als Außenstehende sein…
Aber nun erstmal von Anfang an…
Ich gehe meistens mit der Krankenschwester zusammen in das Zimmer der Familie, stelle mich kurz vor und lege meine Sachen ab. Je nachdem wie die Situation ist, komme ich mit den Eltern ins Gespräch. Man merkt dann ganz schnell, was sie gerade brauchen. Manche sind vor lauter Trauer im Schockzustand und können gar nicht viel sagen, andere sind froh, dass jemand bei ihnen ist, ihnen zuhört und seelischen Beistand leistet.
In diesem Gespräch frage ich die Eltern auch was ihnen recht ist… ob sie gemeinsam die Fotos machen wollen und ob es in Ordnung für sie ist, wenn ich ihnen ihr Baby später in die Hände gebe. Nicht jeder Elternteil kann offen damit umgehen und diesen Schmerz und die Nähe zulassen.
Nachdem wir besprochen haben, was ich genau mache, nehme ich mir behutsam ihren kleinen Schatz. Ich spreche das Baby bewusst mit seinem Namen an und lege es zB in einen kleinen Moseskorb, welchen ich zuvor mit einer weichen, schönen Decke ausgelegt habe. Ich versuche wirklich jedes kleine Detail festzuhalten, denn es werden die ersten und letzten Fotos von ihrem kleinen Schatz sein.
Ich lasse mir dabei Zeit und versuche meine Arbeit ohne Hektik zu erledigen. Es gibt Eltern, die selber bestimmte Vorstellungen von ihren Erinnerungsaufnahmen haben. Diese versuche ich dann sofort umzusetzen. Es gibt aber auch Eltern, die nicht nah dabei sein möchten und mich einfach meine Arbeit machen lassen. Dennoch versuche ich auch diese Eltern sanft mit einzubeziehen. Manchmal reicht ein kleiner Finger an der Hand vom Baby.
Ich bin meistens ca. 30-60 min bei den Eltern, es kann aber auch sein, dass ein Einsatz mal ganze 4 h dauert. Manchmal warte ich noch bis alle Familienmitglieder da sind und manchmal ist es einfach so, dass die Eltern froh sind, dass jemand bei ihnen ist, ihnen zuhört und mit ihnen redet.
Einmal beobachtete mich eine Mama dabei, wie ich ihr Baby fotografiert habe und fragte mich dann: “Mel wie kannst du so etwas machen? Was fühlst du dabei? Findest du das nicht schrecklich?“
Doch, natürlich ist es wahnsinnig schlimm, das arme Baby zu sehen oder die weinenden Eltern und diese furchtbar traurige Stimmung im Raum. Das geht natürlich nicht spurlos an einen verrüber, aber ich kann sagen, dass ich eine innere Sperre in mir habe, die dies nicht zu nah an mich ran lässt… In dem Moment ist es mein Job. Ich möchte für die Eltern bleibende Erinnerungen schaffen. Klar, ich hatte auch schon mit den Tränen zu kämpfen, als die gesamte Familie im Raum am weinen war und auch die Geschwister völlig durcheinander und traurig waren, aber ich versuche mich dann wirklich nur auf das Fotografieren zu konzentrieren und eher ein Schutzschild für die Eltern zu sein.
Wenn ich dann meine Arbeit erledigt habe, verabschiede ich mich, wünschen ihnen viel Kraft und gehe leise aus dem Zimmer.
Auf dem Weg Nachhause geht mir die gesamte Situation nochmal durch den Kopf, es herrscht ein traurige Stimmung, aber ich weiß, ich habe gerade etwas gutes getan und den Eltern etwas besonderes geschaffen.
Zuhause angekommen lade ich direkt die Bilder auf meinen PC, schaue sie durch und sortiere sie. Ungefähr 4 Wochen später, bekommen die Eltern ihre Box mit den digitalen Dateien und ein paar Drucken.
Ich glaube im Nachhinein sind viele Eltern sehr froh um diese Bilder. Sie sind für die Verarbeitung von Trauer und Schmerz sehr wichtig. Egal ob sie die Box sofort nach Erhalt öffnen oder ob sie es erst 2-3 Monate später machen. Egal wann…..irgendwann ist man dankbar, eine Erinnerung zu haben.
Ich bin froh ein Teil des VergissMichNicht-Teams zu sein und somit vielen Eltern bei der Verarbeitung ihres großen Verlustes helfen zu können. Erinnerungen verblassen mit der Zeit, doch bildlich festgehaltene Erinnerungen bleiben beständig.
Mel